Die Wahrheit

   Als "Ein Spiel von Lüge und Wahrheit" könnte man Zellers Stück "Die Wahrheit" bezeichnen. Für seinen verheirateten Protagonisten ist Wahrheit etwas mehr als Zweifelhaftes: "Wenn die Leute von heute auf morgen aufhören würden, sich zu belügen, gäbe es kein einziges Paar mehr auf Erden. Und in gewisser Hinsicht wäre das das Ende der Zivilisation", meint er. Und er hat in der Tat allen Grund, die Wahrheit zu meiden, hat er doch seit sechs Monaten ein Verhältnis mit Alice, der Ehefrau seines besten Freundes Paul. Doch die bekommt zusehends Schuldgefühle, nicht nur Ihrem Mann gegenüber, sondern auch gegenüber Michels Ehefrau Laurence. Das ständige Versteckspiel, die immer neuen Lügen belasten ihr Gewissen und sie will endlich reinen Tisch machen. Michel ist damit gar nicht einverstanden und so wird der Lügner von seinen eigenen Lügen eingeholt. In der Folge weiß er nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.
   Eine hinreißende, höchst raffiniert geschriebene Komödie mit geschliffenen, pointierten Dialogen. Bewundernswert, wie dramaturgisch durchtrieben Zeller mit immer neuen und überraschenden Wendungen und Volten die Handlung vorantreibt. Immer wenn man glaubt, die Wahrheit zu wissen, wird sie unvermittelt wieder auf den Kopf gestellt, so dass man bis zum überraschenden Schluss in Atem gehalten wird.

   Florian Zeller ist Franzose, der auch einen Schweizer Pass besitzt und Drehbuchautor und Dramatiker. Das 2011 in Paris uraufgeführte Stück „Die Wahrheit“ zählt zu seinen größten Theatererfolgen. Seit 2021 darf er sich auch Oscar-Preisträger nennen (Bestes adaptiertes Drehbuch für „The Father“).